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Gewohnheiten – Fluch und Segen zugleich?
Wir alle sind betroffen und niemand kann sich vor ihnen schützen. Es passiert ganz automatisch. Vage kann man sich daran erinnern, wie schwer es als Kind noch war, auf einmal ohne Stützräder Fahrrad zu fahren oder wie nervig es abends war, sich noch die Zähne putzen zu müssen. Unsere Kids sind Meister darin, sie zu entwickeln und zu etablieren – viel mehr als wir es im Erwachsenenalter je wieder tun werden. Bei uns sitzen die meisten fest und neue kommen immer seltener dazu: Es geht um unsere Gewohnheiten. Sie sind Spitzenreiter in automatischen Abläufen, sie sind ganz vorn mit dabei, wenn es heißt, neue Vorsätze zum Scheitern zu bringen und sie sind unsere Helfer des täglichen Lebens.
Die Macht der Gewohnheit
Laut Definition sind Gewohnheiten Abläufe, die man immer wieder tut, sodass diese selbstverständlich erscheinen. Sie sind eine zur Eigenschaft gewordene Handlungsweise.
Ja tatsächlich fallen mir da einige Dinge ein, auf die diese Beschreibung passt. Es fängt direkt nach dem Aufwachen an: Aufstehen – ins Bad gehen – Zahnbürste nehmen – Zahnpasta aus der Tube quetschen – Zähne putzen. Es ist ein Ablauf, der kaum mehr registriert wird.
Denkst du wirklich noch darüber nach, wie der Weg zur Arbeit ist? Oder fährst du einfach drauf los und erwischst dich so manches Mal dabei, wie du mit deinen Gedanken ganz woanders bist und dein Körper dich automatisch hinfährt? Auto fahren, deine Lieblingssportart treiben oder kochen: dies sind alles Tätigkeiten, die als Gewohnheiten abgespeichert sind und unser Leben vereinfachen. Denn stell dir mal vor, du müsstest nach jedem Urlaub alles wieder neu lernen. Anstrengend, oder? Gewohnheiten sind durchaus ein ganz hilfreicher Trick des Gehirns.
Gute und weniger gute Gewohnheiten
Aber ich würde keinen Blogartikel über dieses Thema schreiben, wenn alles nur toll wäre. Würde unser Gehirn lediglich all die positiven Handlungsabläufe speichern, wäre das kein großes Problem. Leider kann es jedoch nicht zwischen guten und weniger guten Gewohnheiten unterscheiden. Das Verlangen nach Süßigkeiten, sobald wir entspannt die Füße hochlegen, die erneute Ausrede, weshalb man doch lieber liegen bleibt anstatt joggen zu gehen oder das blöde Knabbern an den Fingernägeln – dies sind Abläufe, die der Körper gespeichert hat und immer wieder abspielt, sobald dem Gehirn das jeweils spezifische Signal dafür gesendet wird.
Die Gewohnheitsschleife
Um zu verstehen, wie das abläuft, müssen wir uns die sogenannte Gewohnheitsschleife anschauen. Die Gewohnheitsschleife besteht aus dem Auslösereiz, der Routine und der Belohnung.

Ich will euch das Prinzip anhand eines Beispiels zeigen:
Jeden Tag auf der Arbeit stehen wir rund um die Mittagszeit auf, gehen in die Cafeteria, kaufen uns ein Süßgebäck, quatschen mit Kollegen, fühlen uns gut und gehen zurück zum Arbeitsplatz. Das könnte eine typische tägliche Gewohnheit für den einen oder anderen von uns sein. Das Verlangen nach Süßem oder einer Unterhaltung (Auslösereiz) lässt uns loslaufen und das Süßgebäck kaufen (Routine). Und jetzt kommt die Belohnung: die Zufriedenheit, die sich einstellt, nachdem wir den Arbeitsplatz verlassen und das Gebäck verschlungen haben.
Wir haben alle unsere individuellen „schlechten“ Gewohnheiten und träumen davon, diese einfach abzulegen. Hier kommt die fantastische Nachricht: Es ist absolut möglich – nur eben nicht ohne etwas Aufwand. Leider gibt es keine magische Formel, die „schlechte“ Gewohnheiten einfach wegzaubert. Viel mehr gibt es ein Rahmenmodell, welches uns hilft, Gewohnheiten zu erkennen und zu verändern. Aber hier ist ein kleiner Haken: Veränderungen stellen sich nur langsam ein und es ist viiiiel Geduld erforderlich.
Zeit zum Aufdecken
Fangen wir (aus dem Modell der sogenannten Gewohnheitsschleife) mit der Routine an. Diese lässt sich am schnellsten identifizieren. Esse ich immer einen Schokoriegel, sobald ich auf dem Sofa bin? Gönne ich mir zu jedem Feierabend ein Bier oder gibt es nach jeder Mittagspause ein Süßgebäck? Sobald wir unsere Routine aufgedeckt haben, kommen wir zu den etwas schwierigeren Teilen: der Auslösereiz und die Belohnung.
Die lüsterne Belohnung
Machen wir mit der Belohnung weiter. Dafür müssen wir ein bisschen experimentieren. Hier gehen wir nach dem Austauschprinzip vor. Anstelle des Süßgebäcks essen wir doch einen Tag mal ein Stück Obst oder wir gehen stattdessen spazieren und ein anderes Mal quatschen wir doch einfach mal nur mit einem Kollegen. So finden wir heraus, was uns wirklich antreibt. Ist es der Hunger, die Langeweile oder der Wunsch nach einer Ablenkung?
Jetzt müssen wir in uns hineinhorchen. Wenn wir nach dem Stück Obst noch immer Lust auf das Süßgebäck haben, können wir Zucker als Belohnung ausschließen. Fühlen wir uns aber nach dem Gespräch mit einem Kollegen wohl und haben das Süßgebäck vollkommen vergessen, haben wir unsere Belohnung gefunden: Es gelüstet uns nicht nach etwas Süßem, sondern viel mehr nach einer kleinen Ablenkung von der Arbeit.
Der verzwickte Auslösereiz
Jetzt kommt es zur Identifizierung des schwierigsten Parts der Gewohnheitsschleife: dem Auslösereiz. Wir müssen versuchen, ihn aus so vielen potentiellen Auslösern herauszufiltern. Denn wer weiß schon genau, weshalb wir wie reagieren: Frühstücken wir, weil wir Hunger haben, weil es eine bestimmte Uhrzeit ist, weil alle um uns herum essen, oder doch nur weil wir in die Küche gegangen sind? Um unter diesen vielen Informationen den Auslösereiz herauszufinden, soll uns ein kleiner Trick helfen. Man zeichnet folgende fünf Faktoren auf:
- Standort
- Uhrzeit
- emotionaler Zustand
- andere Menschen in Umgebung
- unmittelbar vorangegangene Handlung
Schreiben wir uns jedes Mal, wenn wir das Verlangen nach etwas Süßem verspüren, die Antworten zu diesen fünf Faktoren auf. Dadurch können wir herausfinden, wer oder was genau der Auslöser für unser Verlangen ist. Nehmen wir an, dass alles jeweils variiert bis auf die Uhrzeit. So wissen wir nun, dass unser Verlangen zeitbedingt ist. Die Zeit können wir natürlich nicht ändern – unsere Handlung um diesen Zeitraum herum aber schon. Wir müssen uns einen Plan erstellen, den wir befolgen können. So wäre es eine Option, dass man sich zu besagter Zeit einen Wecker stellt und sich einen kleinen Spaziergang oder Plausch im Büro gönnt. Ganz so einfach wird es nicht werden. An manchen Tagen verschieben wir unser Vorhaben, da es zu viel zu tun gibt. An anderen vergessen wir es schlicht und haben dann wieder das Verlangen nach einem Süßgebäck. Aber an den Tagen, an denen wir den Plan befolgt haben, werden wir feststellen, dass wir uns am Abend besser fühlen. Gewohnheiten, die einmal als solche etabliert sind, sind nicht ganz so einfach zu verändern. Aber wir werden sehen, dass sich nach einiger Zeit unser Plan auch als Gewohnheit etabliert und der Spaziergang oder das Gespräch mit dem Kollegen ganz automatisch ohne Nachdenken passiert.
Dieses Modell kann uns ein wenig helfen, die nicht so guten Gewohnheiten zu verändern. Es wird nicht leicht, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Man muss am Ball bleiben, aber machbar ist es allemal.
Neue Gewohnheiten entwickeln
Wir können nicht nur alte Gewohnheiten verändern, sondern auch neue entwickeln. Nehmen wir Sport als Beispiel. Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Vielzahl von Menschen Sport treibt, weil man sich danach gut fühlt. Raffen wir uns eine zeitlang regelmäßig auf, etabliert das Gehirn diese Tätigkeit als Gewohnheit. Am Anfang ist es noch eine komplexe Aufgabe für unsere grauen Zellen. Wir müssen uns umziehen, Sportschuhe anziehen, rausgehen, den einen Fuß vor den anderen setzten, die richtige Geschwindigkeit aufbringen, auf Hindernisse achten und dabei auch noch richtig atmen, um keine Seitenstiche zu bekommen. Nach einiger Zeit schon ist all das in Fleisch und Blut übergegangen und wir müssen nicht mehr viel darüber nachdenken. Wir ziehen unsere Laufschuhe ganz automatisch an, wenn sie vor unserem Bett stehen. Unser Gehirn reagiert darauf, da es erwartet, ein gutes Gefühl als Belohnung zu erhalten. Es hat sich eine Gewohnheit entwickelt.
Gesunde Essgewohnheiten im Alltag
Im Alltag ist es nicht immer einfach, seine Gewohnheiten gesund zu gestalten. Deswegen möchte ich euch ein paar meiner persönlichen Tipps mit an die Hand geben, um gesundes Essen in euren schnellen Alltag zu integrieren: Einige von euch werden jetzt zustimmend mit dem Kopf nicken, wenn ich sage, dass es Tage gibt, an denen es zeitlich sehr schwierig ist, ausgewogen und gesund zu leben. Wenn ich weiß, dass mir diese Zeit bevorsteht, koche ich vor. Wofür hat man denn ein Gefrierfach? Einfach bei den nächsten Gerichten ein bis zwei Portionen mehr mitkochen, eintuppern und ab ins Eisfach damit. Nun ist man zumindest mit gesundem Essen gewappnet, das nur noch aufgetaut und aufgewärmt werden muss.
Wenn es mal schnell gehen soll, dann gibt es bei mir Ofengemüse. Kurz Gemüse schnippeln, mit Kräutern würzen und Öl darüber träufeln und ab in den Ofen damit. Die halbe Stunde Garzeit kann man wunderbar für andere Dinge nutzen. Das selbe Spiel mit One-Pots. Alles in einen Topf geben, den Herd anschmeißen und fertig ist dein Essen. Wer es besonders eilig hat, kann auch gefrorenes Tiefkühlgemüse oder Hülsenfrüchte aus dem Einmachglas verwenden.
Auch Kochboxen wie die von “Hello Fresh”*, “Marley Spoon”* oder “Kochhaus”* bieten eine super Möglichkeit, Zeit zu sparen. Hier findet man nicht nur tolle, kreative Rezepte, sondern auch die benötigten Zutaten in entsprechenden Mengen. Schnell im Internet bestellen, liefern lassen und in 30 Minuten kochen. Ich mache hiermit freiwillig unbezahlte und ehrliche Werbung, da ich die Idee dahinter super finde. Es ist toll, dass es dadurch die Möglichkeit auch für “Anfänger” gibt, schnell, lecker und gesund zu kochen.
*unbezahlte Werbung wegen Markennennung
Und was ist mit Süßigkeiten?
Süßigkeiten sind eine große Versuchung, dem viele Menschen nicht widerstehen können. Ich habe für mich persönlich einen simplen Trick entwickelt: Ich kaufe sie prinzipiell nicht mehr ein, um sie bei Gelüsten nicht in Reichweite zu haben und stattdessen zu gesünderen Alternativen greifen zu müssen. Mittlerweile habe ich kein Verlangen mehr nach ihnen.
Apropos einkaufen: Hier können sich gute und und einige nicht so Gewohnheiten verankern. Supermärkte sind eine Herausforderung für die psychische Stärke. Um an das gesunde, leckere Gemüse zu kommen, muss man es erst einmal durch die Süßigkeitenabteilung schaffen bevor es dann an all den vermeintlich gesunden Fruchtjoghurts weitergeht. Und wenn man es dann endlich zur Kasse geschafft hat, muss man an der Schlange neben weiteren taktisch geschickt aufgestellten Leckereien stehen und warten. Leider komme ich jetzt nicht mit einem Geheimrezept um die Ecke, welches dich gegen all diese fiesen Marketingtricks immun macht. Aber ein wiederholt gesundes Einkaufsverhalten in Kombination mit Disziplin und Geduld führt irgendwann dazu, dass dich diese Blickfänge kalt lassen.
Hier ein paar Starttipps:
- Gehe niemals hungrig einkaufen! Denn so landen immer mehr Dinge als gewollt im Einkaufswagen.
- Versuch es mal mit einer strikten Einkaufsliste! Nur Dinge, die auf der Liste stehen, dürfen auch mitgenommen werden.
- Besuche deinen örtlichen Wochenmarkt! Dieser bietet viele frische und regionale Lebensmittel an. Ein super Nebeneffekt dabei ist, dass es meist keine anderweitigen Versuchungen gibt.
Vielleicht fallen dir ja jetzt selbst noch ein paar Tricks ein. Schreib mir diese gerne! 🙂
Danke liebe Gewohnheiten!
Gewohnheiten sind unsere ständigen Begleiter. Wir können dankbar für sie sein, denn sie helfen uns, das Leben einfacher zu gestalten. Unsere Gewohnheiten sorgen dafür, dass Abläufe automatisiert und abgespeichert werden. Gute sowie weniger gute Verhaltensmuster etablieren sich ganz unbewusst. Zum Glück lassen sie sich aber auch verändern. Das ist oft leichter gesagt als getan, aber kleine Herausforderungen machen das Leben eben spannend und so auch lebenswert. Also zeig deinen Gewohnheiten, wer hier der Boss ist!